Warenkorb

Sie haben keine Artikel in Ihrem Einkaufswagen.

Zwei-Euro-Prägungen mit problematischen Themen

Bricht Italien im Jahr 2023 einen Nachbarschaftsstreit wegen einer Gedenkmünze vom Zaun?

Wenn jemand umgangssprachlich „sein Waterloo“ erlebt, ist damit kein touristischer Besuch der idyllischen Kleinstadt im Südwesten von Belgien gemeint. Stattdessen wird so laut dem Duden eine vernichtende Niederlage umschrieben - so wie auch in dem gleichnamigen Lied der schwedischen Popgruppe ABBA, wo die Schlacht von Waterloo jedoch nur als Metapher für ein romantisches Abenteuer dient. Der historische Kontext knüpft an die vernichtende Niederlage des französischen Generals und Kaisers Napoleon Bonaparte im Juni 1815 gegen britische, niederländische und deutsche Truppen an.

Genau 200 Jahre nach der Schlacht von Waterloo kam es erneut zu einer Auseinandersetzung zwischen europäischen Staaten, allerdings in einem numismatischen - und durchaus bizarren - Kontext: Frankreich verhinderte damals, dass Belgien eine Zwei-Euro-Umlaufgedenkmünze in Erinnerung an die Schlacht von Waterloo in den Zahlungsverkehr bringen würde - denn diese Münzen wären früher oder später auch in französischen Geldbörsen gelandet.

Die Belgier hatten wohl keine bösen Absichten, als sie im Herbst 2014 erstmals bekanntgaben, ab April 2015 eine Zwei-Euro-Umlaufgedenkmünze zum 200. Jahrestag der Schlacht bei Waterloo herauszugeben. Ein Entwurf lag kurz darauf vor. Die Münze sollte den sogenannten Löwenberg mit dem Löwen von Waterloo zeigen. Hierbei handelt es sich um einen künstlich aufgeschütteten Hügel, der an die Schlacht von Waterloo erinnert. Am 6. März 2015 legte jedoch ein nicht näher bezeichnetes Euro-Land offiziell Widerspruch beim Europäischen Rat ein, es folgten darüber hinaus zwei weitere Protestschreiben. Dumm nur, dass zu diesem Zeitpunkt die Münze bereits geprägt und in Coincards verpackt war. Wie viele Münzen tatsächlich geprägt und wieder vernichtet wurden, ist unklar – geplant war eine Auflage von 180.000 Stück.

Im kommenden Jahr könnte nach Belgien noch ein weiteres Land sein „numismatisches Waterloo“ erleben: Italien möchte die erste Zwei-Euro-Umlaufgedenkmünze des Jahres 2023 dem Thema „100 Jahre Militärische Luftfahrt“ widmen. Die Ausgabe der Münze soll bereits im Januar 2023 stattfinden, die geplante Auflage liegt bei drei Millionen Stück. Italien hat die Münze am 16. September zur förmlichen Genehmigung beim Europäischen Rat eingereicht. In der Zwischenzeit wurde das Motiv in mehreren numismatischen Onlineforen geleakt: Es zeigt ein historisches Propellerflugzeug, das durch die Zahl „100“ hindurchfliegt und sich im Laufe des Fluges in einen Kampfjet verwandelt.

Die Geschichte der italienischen Luftstreitkräfte ist in zeitgeschichtlicher Hinsicht durchaus beachtenswert. Die Italiener begannen bereits im 19. Jahrhundert mit der Erprobung von Fesselballonen zur Landesverteidigung, seit 1910 kamen Flugzeuge zum Einsatz. Die Gedenkmünze nimmt Bezug auf die Gründung der „Königlichen Luftwaffe“ (Regia Aeronautica) in Italien im Jahr 1923. Die Luftstreitkräfte sollten in erster Linie fliegerische Rekorde aufstellen, um der faschistischen Propaganda immer neuen Anlass zu Jubelmeldungen und Sensationen zu bieten. Die italienische Luftwaffe änderte mit Abschaffung der Monarchie nur ihren Namen in „Aeronautica Militare“, operiert jedoch in einer direkten historischen Traditionslinie mit ihrem faschistischen Vorgänger.

Kampfflugzeug an der Supermarktkasse könnte Irritationen hervorrufen

Dass die 18 anderen Euro-Staaten dieses Motiv durchwinken, ist also höchst zweifelhaft. Immerhin erlebt Europa seit Februar 2022 eine kriegerische Auseinandersetzung vor der eigenen Haustür, nachdem Russland die Ukraine überfallen hat. Die europäischen Partner demonstrieren bewusst Einigkeit – ein italienisches Kampfflugzeug würde an einer Supermarktkasse in Griechenland, Frankreich oder Deutschland wohl so manche Irritationen hervorrufen.

Um derartiges Konfliktpotenzial aus dem europäischen Zahlungsverkehr herauszuhalten, hat die Europäische Union ein mehrstufiges Genehmigungsverfahren festgelegt: Mindestens drei Monate vor der geplanten Ausgabe einer Münze muss das Ausgabeland seine Idee an die Europäische Kommission übermitteln. Danach sind die übrigen Euro-Staaten aufgerufen, eine Stellungnahme an den Rat und die Kommission zu richten. Diese Stellungnahe muss begründet werden. Wenn zu erwarten ist, dass der Entwurf „unter seinen Bürgern negative Reaktionen hervorruft“, kann jedes Mitglied des Europäischen Währungsraumes eine Zwei-Euro-Umlaufgedenkmünze eines anderen Mitglieds verhindern.

Italien ist Wiederholungstäter, wenn es um problematische Münzmotive geht

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass Italien ein Wiederholungstäter ist, wenn es um einen Nachbarschaftsstreit bei der Emission von Zwei-Euro-Umlaufgedenkmünzen geht. Denn bereits 2019 fielen die Italiener mit einem militaristisch angehauchten Thema auf die Nase. Ursprünglich hatte Italien für seine zweite Münze des Jahres 2019 das Thema „Hundertjähriges Bestehen der Associazione Nazionale Alpini“ vorgeschlagen. Nach einer Überprüfung der EU-weiten Leitlinien hatte Italien jedoch beschlossen, keine Zwei-Euro-Münze zu diesem Anlass herauszugeben und den eingereichten Vorschlag zurückzuziehen. Stattdessen wurden Fünf-Euro-Münzen ausgegeben, die - anders als Zwei-Euro-Münzen, die europaweit akzeptiert werden - nur in Italien als Zahlungsmittel zugelassen waren.

Der offiziellen Rücknahme des Entwurfs durch Italien war ein Veto von zwei anderen Euro-Staaten, genauer gesagt von Deutschland und Griechenland, vorausgegangen. Das deutsche Finanzministerium hatte gegenüber dem Rat der Europäischen Union betont, dass die heutige Arbeit der Associazione Nazionale Alpini nicht kritisiert werden sollte: „Aber die Feier seines hundertjährigen Bestehens würde die Zeit des Zweiten Weltkriegs einschließen. Angesichts der Gräueltaten der deutschen Streitkräfte während des Zweiten Weltkriegs - insbesondere in Italien und Griechenland - würden wir lieber keine militärische Gruppe ehren, die mit der Wehrmacht zusammengearbeitet hat, wenn überhaupt eine Armee. Das Thema der Münze dürfte bei deutschen Bürgern negative Reaktionen hervorrufen.“

Italien kann allerdings von Belgien lernen, wenn es nicht sein numismatisches Waterloo erleben will: Die Belgier nutzen nach der Entscheidung, keine Zwei-Euro-Umlaufgedenkmünze zum Sieg gegen Napoleon in den europaweiten Zahlungsverkehr zu geben, ein Schlupfloch, um dennoch ihre Freude über die Schlacht bei Waterloo auf Münzen zu verewigen: Sie änderten den Nennwert der geplanten Sondermünze kurzerhand von 2 Euro auf 2,50 Euro – hierbei handelt es sich um ein Nominal, dass nur in Belgien gültig ist. So war sichergestellt, dass die Waterloo-Münze nicht an französischen Tankstellen oder in deutschen Supermärkten landet.

Fotocredit: Istituto Poligrafico e Zecca dello Stato (Italy) und Koninklijke Munt van België (Belgium), Reproduktionen durch Leuchtturm

2 Euro Münzen

Passendes Zubehör

Sammelzubehör für 2-Euro-Münzen finden Sie hier im LEUCHTTURM Onlineshop.

Mehr erfahren
Blog

Hat Ihnen der Artikel gefallen?

Hier finden Sie weitere interessante Neuigkeiten sowie spannende Informationen.

Zum Blog
Zubehörkataloge 2022

Zubehörkataloge 2023

Für Münz- und Briefmarkenzubehör. Jetzt downloaden oder kostenlos anfordern!

Zu den Katalogen